Es ist das Zweitwichtigste, was unser Körper tut. Das Wichtigste ist das Herz, das schlägt. Das Zweitwichtigste ist zu atmen. Auf trinken und essen lernen wir zu achten. Aber atmen? Macht man das nicht automatisch?
Ja. Aber viel zu oberflächlich. Tiefe Atemzüge entspannen den ganzen Körper. Ein einziger tiefer Atemzug reicht manchmal aus, um eine Situation zu entspannen. Wenn ich es schaffe, tief einzuatmen bevor ich zu meinem Sohn etwas sage, der mich gerade wutschnaubend anbrüllt, ist die Chance größer, dass der Konflikt nicht eskaliert.
Warum ist das so?
Ich nehme mir regelmäßig Zeit, um bewusst tief zu atmen. Dann kenne ich alle Räume in meinem Körper, in die der Atem fließen kann. In jeder Meditation, jeder Yogaübung wird auf den ruhigen Atem hingewiesen. Ich fand das immer sehr übertrieben und zwecklos. Doch als ich drei Wochen lang eine Tantra-Atemübung gemacht hatte, wusste ich danach, dass es tatsächlich Spaß machen kann, seinen Atem zu trainieren. Ruhig, tief und langsam.
Wenn eine Situation eskaliert, ist mein Gehirn im Ausnahmezustand und reagiert völlig unüberlegt. Ich höre mir dann manchmal selbst dabei zu wie ich blöde Erziehungsfloskeln raushaue, die ich bei klarem Verstand niemals äußern würde.
Wenn wir Stress haben, atmen wir flach und kurz und das Gehirn läuft auf den Gedankenautobahnen, die es kennt. Das sind oft die in der Kindheit angelegten Autobahnen. Wir brüllen dann herum wie ein Kind oder sagen, was wir als Kind oft gehört haben.
Sobald ich ein einziges Mal tief einatme, hole ich meinen Körper aus dem Reptiliengehirn-Modus heraus und mein Verstand hat eine halbe Sekunde Zeit nachzudenken. Mehr braucht der nicht, damit ich eine erwachsene Antwort für das Gebrüll meines Kindes habe.
Ohne atmen reagiere ich selbst wie ein Kind.
Mit einatmen begebe ich mich in die Rolle der Erwachsenen.
Der Mutter, die die Situation kontrolliert.
Ich schaffe es leider auch nicht immer, … aber wenn ich es schaffe, merke ich wie ein einziger Atemzug manchmal die ganze Welt ändern kann.
Ich liebe es, zu atmen!
(Verfasser:in : S.J)