Tiergestützte Intervention mit Pferden für Kinder im Autismus-Spektrum

Es gibt Momente, in denen sich die Entwicklung unserer Klient*innen nicht in Tests oder Zahlen messen lässt. Manchmal ist es ein kleiner Schritt, das vorsichtige Annähern oder das Austrecken einer Hand.

Es war ein Moment, in dem Louis über sich selber hinausgewachsen ist, weil er Kontakt zu einem Tier erlebte und diesen zulassen konnte. Es entstand Vertrauen, Verbindung und Begegnung.

Gemeinsam mit meinem Klienten Louis fuhr ich nach Sievershausen. Louis und ich besuchten dort das 32-jährige Pferd Gajus – ein Haflinger mit dem Spitznamen „Galli“.

Was ist tiergestützte Intervention?

Tiergestützte Intervention ist ein pädagogisch-therapeutischer Ansatz, bei dem Tiere unterstützend in Entwicklungsprozesse eingebunden werden. Diese Form der Begegnung kann sich förderlich auf emotionale, soziale und motorische Kompetenzen auswirken und haben einen positiven neurobiologischen Effekt, indem sie Stressreaktionen abpuffern oder reduzieren und durch ihre Nähe den Oxytocin-Spiegel erhöhen. Oft sind grade diese Begegnungen so wertvoll, denn Tiere bewerten nicht, sie begegnen dem Menschen unvoreingenommen und präsent (vgl. Beetz/ Riedel/ Wohlfarth. Tiergestützte Intervention. Handbuch für die Aus- und Weiterbildung).

Grade Pferde reagieren sehr sensibel auf die Körpersprache und emotionale Zustände des Menschen. Die großen Tiere spiegeln das Verhalten des Menschen und ermöglichen dadurch direkte Rückmeldung – und dies ganz ohne Worte. In der tiergestützten Intervention mit Pferden geht es nicht vorrangig ums Reiten. Vielmehr steht der Beziehungsaufbau im Mittelpunkt: das Beobachten, Putzen, Füttern und gemeinsame Erleben (vgl. Marianne Gäng. Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren)

Ein besonderer Ausflug

Louis war zu Beginn unseres Ausfluges sehr vorsichtig und zögerte, auf den ruhigen Haflinger zuzugehen. Als wir ankamen, blieb er etwa 50 Meter entfernt stehen – neugierig, aber vorsichtig. Er bat mich, dem Pferd ein Halfter und einen Führstrick anzulegen und den Haflinger Galli gut festzuhalten, da er noch etwas Angst hat. Es war ein unbekannter Ort, eine neue Situation und ein großes Tier. Louis und ich hatten Zeit, er nährte sich, Schritt für Schritt, beobachtete und fragte interessiert.

Ich hielt Galli am Strick, während ich L. verbal in seinem Tun begleitete. In seinem eigenen Tempo – ganz ohne Druck – begann er, erste kleine Schritte auf Galli zuzugehen. Er nährte sich der Putzkiste und stellte viele Fragen zu den einzelnen Bürsten, er nahm zögerlich eine Bürste heraus, deren Verwendung er sich ganz genau erklären ließ. Er begann sich bei mir zu versichern, dass ich das Pferd gut festhalte und nährte sich dem Pferd soweit, dass er Putzbewegungen mit der Bürste auf dem Fell machen konnte. Es war ein Moment voller Konzentration und Aufregung. Mit jeder Minute wurde Louis mutiger und sicherer- und Galli ließ ihn gelassen gewähren. Für Louis war dies ein besonderer Moment, er erlebte sich mutig und selbstwirksam. Er machte taktile Erfahrungen, indem er sich traute, dass Pferd mit den Händen zu berühren, dabei spürte er sehr überrascht, wie weich das Fell des Pferdes ist. Er traute sich, dass Pferd langsam in den Arm zu nehmen und seinen Arm über das große Tier zu legen. Louis war in diesem Moment stolz und voller Begeisterung.

Wir fütterten dem Pferd zum Schluss einen großen Eimer eingeweichte Heucobs, beobachteten das Verhalten des Pferdes, und Louis stellte viele interessierte Fragen. Galli, mit seinen 32 Jahren Lebenserfahrung, begegnete ihm mit viel Ruhe. Mit zunehmendem Vertrauen wuchs auch Louis Interesse an den anderen Pferden, welche abgetrennt durch einen Zaun neben uns standen. Er stellte auch hier viele Fragen zum Verhalten und Leben der Pferde, zog vergleiche mit sich und dem Verhalten der Pferde „Das Junge Pferd ist wie ich, der ist manchmal etwas wild“. Zum Abschluss bereiteten wir gemeinsam das Futter für den nächsten Tag vor.

Nachhaltige Wirkung

Zu Hause erzählte Louis seinen Eltern ausführlich von dem Ausflug und erklärte alles ganz genau. Er beschrieb das Pferd, die Bürsten, das Futter sowie seine eigene Erfahrung mit bemerkenswerter Genauigkeit und Begeisterung. Dieser Tag hatte bei Louis Eindruck hinterlassen.

Tiergestützte Intervention kann kleine Räume für echte Entwicklung schaffen. Tiere bewerten nicht- sie nehmen den Menschen so an wie er ist. Mit beeindruckender Ehrlichkeit. Louis durfte durch den gemeinsamen Ausflug nicht nur das Pferd Galli kennenlernen, sondern auch ein Stück mehr über sich selber erfahren und echtes Vertrauen spüren. Er wuchs über sich hinaus, war mutig und stolz.

Adina Meuris mit Louis aus der ATISTA Autismus-Kompetenz

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