Tagebuch schreiben

Irgendwann kaufte ich mir ein Tagebuch. Schon als Kind hatte ich gerne Tagebuch geschrieben. Aber ich hatte nicht mehr das Niederschreiben emotional verwirrter Teenagerträume im Sinn. Ich wollte das Positive sammeln. Jeden Morgen schrieb ich bei meiner ersten Tasse Tee einige Stichpunkte über den vergangenen Tag. Einzige Regel: Nur positiv schreiben!

Kurz darauf zerbrach meine Ehe und mein Hund starb drei Tage danach. Die Regel behielt ich bei. Das erste Jahr der Trennung ist in meinem Tagebuch durch den Positivfilter niedergeschrieben. Ich lernte dadurch sehr konsequent nicht immer nur das zu Bejammernde zu sehen, sondern mich jeden Tag auf die Suche zu machen nach den kleinen Details, die das Leben lebenswert machen.

Zusätzlich entwickelte ich eine Routine, positive Gedanken für meine Zukunft oder den Tag oder die kommende Woche aufzuschreiben. Ich schrieb ganze Bücher von Louise Hay ab, um meinen Tag mit positiven Gedanken zu beginnen. Und innerhalb eines Jahres konnten meine Freunde bemerken, dass ich wirklich zu einem positiv denken Menschen wurde.

Das morgendliche Tagebuchschreiben dehnte sich aus. Ich stand extra früher auf, um wirklich vor meinen Kindern wach zu sein und ganz alleine und in Ruhe Tee zu trinken, mich zu sammeln und die Gedanken aufzuschreiben. Es ist der Moment am Tage, in dem ich ganz nah bei mir selbst sein kann. Direkt nach dem Aufwachen haben noch keine äußeren Einflüsse meine Wahrnehmung verzerrt. Stress ausgelöst. Gedankenströme in Gang gesetzt. Es ist der Moment, in dem ich mein Innerstes niederschreiben und für mich selbst wahrnehmbar machen kann. Der Augenblick der Metaebene in dem ich mich frei für meine Gedanken entscheiden kann. Wenn ich abends schreibe, bemerke ich, wie sehr die Ereignisse des Tages mich herunterziehen und das Geschriebene voller negativer Emotionen ist. Morgens, wenn der Tag noch frisch ist, ist das ganz anders. Besonders schön sind die Phasen, in denen das Tagebuchschreiben wirklich mit dem Morgengrauen zusammenfällt. Aus der Dunkelheit in meine eigene Klarheit.

Ich bin selbst erstaunt, wie aus einer kleinen Tat – ein Tagebuch kaufen – ein komplettes Morgenritual wurde, das mich entspannt und glücklich in jeden Tag starten lässt. Da kann dann kommen, was will, ich hatte meine gute Zeit ja schon! (S.J.)

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