Endlich ist es wieder soweit. Gleißende Sonne, klebrige Sitze im Bus, noch klebrigere Haut durch Sonnencreme, ein verschwitztes Gesicht, Kopfschmerzen und unerträgliche Hitze. Sommer. Charlotte Suhr, eine bekannte Autorin und Content Creatorin mit Autismus und ADHS schreibt über genau jene heißgeliebte Jahreszeit: „Wenn mein Nervensystem in Flammen steht.“ Und wie Recht sie damit hat. Der Sommer kann für alle Menschen, die hochsensibel sind (darunter zählen neben Menschen mit Autismus und ADHS auch neurotypische Menschen) zum absoluten Spießrutenlauf werden. Denn der Sommer steckt voller Reize, visuell und sensorisch, und das natürlich in unglaublichen Extremen.
Eine unglaubliche Helligkeit, Sonne, die sich überall spiegelt und dabei gefühlt tausendfach verstärkt wird, macht die Sonnenbrille zum notwendigen Alltagsbegleiter. Die Hitze sorgt für Unwohlsein, für Feuchtigkeit, Sonnenbrand, klebrige Oberschenkel an Plastiksitzen, Schweiß der leise die Stirn herunterläuft und dabei doch innerlich das ganze Nervensystem zum Schreien bringt. Die Liste könnte ewig weitergehen, mit riesigem Durst, Wassereinlagerungen. Dem Problem, was man anzieht, wenn die Kleidung, die einem sonst Sicherheit und Ruhe verspricht, zum textilen Ofen wird.
„Mein Alltag ist doppelt so schwer wie sonst, als müsste ich durch ein Moor waten, was als Hindernis zwischen mir und der Welt steht. Mein Körper ist über Monate in Alarmbereitschaft, traurig, schwerfällig, müde und zäh. Es ist anstrengend, das Haus zu verlassen und zu arbeiten und Menschen zu treffen. Es ist anstrengend zu sein.“ (Charlotte Suhr) Aber das schlimmste an all dem? Der gesellschaftliche Druck, den Sommer irgendwie genießen zu müssen. Rauszugehen, weil die Sonne scheint. Spaß zu haben, weil alle Spaß haben. Tausend mögliche Unternehmungen, die sich schön in Instagram-Storys verpacken lassen und (fast) allen Menschen so viel Freude versprechen.
Ein Picknick am Wasser in der Gesellschaft von 475 Mücken und 63 Wespen? Dabei pieksende Grashalme am Oberschenkel? Klebrige Hände von der Wassermelone?
Oder ein Freibadbesuch mit einer durchgängigen Lärmintensität eines vorbeifahrenden Schnellzuges, gepaart mit Chlorwasser, Handtuchhaufen, feuchten Badeklamotten und Gruppenkuscheln mit den viel zu vielen Freibadbesucher*innen auf einer winzigen Liegewiese?
„Zu hassen, was alle lieben, ist anstrengend und man fühlt sich nicht selten von der Gesellschaft gegaslightet, die einem das Gefühl gibt, man wäre geradezu verrückt und müsse sich nur endlich mehr Mühe geben, Spaß zu haben.“ (Charlotte Suhr) Und vielleicht ist man selbst auch ein kleines bisschen enttäuscht. Dass man keine Freude hat. Dass man nicht miteinstimmen kann in das fröhliche Lachen der Menschen, das durch die Fenster hereinschallt.
Aber vielleicht können wir uns darauf einigen, dass es nicht schlimm ist, im Sommer drinnen zu bleiben. Dass auch das Sitzen vor dem Ventilator mit Buch in der Hand und einem riesigen Glas Wasser völlig fein ist, wenngleich es auch weniger glamourös klingt. Macht, was euch gut tut. Seid lieb zu euch selbst!
Zitate: Charlotte Suhr, Instagram, @chaarlottchen, Neurodivergenz und Sommer
L.