Was für ein spannendes Buch! Dass die Geschichte um Hans Asperger sogar eine bekannte Romanautorin inspiriert, fand ich überraschend. Dass sie auch Gedanken aufnimmt, die mich schon länger beschäftigen, war faszinierend. Wenn man viele Bücher über Autismus liest (z.B. Silberman „Geniale Störung“, Edith Sheffer „Aspergers Kinder“) kommt man auf die Verbindung zwischen Asperger und Kanner, beides Begründer der Autismus-Diagnosen. Das liegt vor allem an Anni Weiß und Georg Frankl, die 1934 und 1937 in die USA emigrieren mussten. Dass Lorna Wing die Arbeiten von Asperger wiederentdeckt hat ist ein weiterer Baustein, den Baldini gekonnt in ihre Geschichte einwebt.
Die spannende Recherche nach dem Namensgeber der Diagnose im Jahr 1986 und den nazibraunen Zeiten in Österreich 1932-1943 bilden den Rahmen der verschiedenen Handlungen. Besonders bei der Beschreibung der von Asperger untersuchten Kinder kommt der Autorin ihre eigene, 15jährige Erfahrung in der Arbeit mit autistischen Kindern zugute. Sie kann die Gefühlswelt der kleinen Autisten ausgezeichnet beschreiben.
Hier ist ein Roman entstanden, der mehr reale Personen miteinander verbindet, als Fiktion ergänzt. Fachlich ausgezeichnet wird hier ein Kapitel der Nazi-Zeit behandelt, was uns das Grauen deutlich vor Augen führt und eine Mittäterschaft auch von Hans Asperger diskutiert – mit einem sinnvollen Ende, dem ich hier nicht vorgreifen werde. Es bleibt ein Roman und kein Fachbuch, trotzdem sei es auch Fachleuten als spannende Lektüre empfohlen.
(Übrigens hat Theunissen in „Autismus und Herausforderndes Verhalten“ Weiss und Frankl als Erstbeschreibende gewürdigt und Robison („Schau mich an!“) bezeichnet Frankl als „Asperger’s teacher“).
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