Wer Sport treibt ist Sportler*in, wer backt ist Bäcker*in, wer Autismus hat ist Autist*in, oder? Und „haben“ Menschen überhaupt Autismus oder sind sie einfach „Autist*in“. Diese Frage stelle ich mir oft. Sie ist in meinen Augen schwer zu beantworten und eine endgültig richtige Antwort gibt es, wie so oft, leider nicht.
Zum einen könnte argumentiert werden, dass wenn ich sage: „Ich habe Autismus“ da mitschwingt: „Ich habe eine Krankheit“ und in der Diskussion, ob Autismus per Definition eine Krankheit, eine geistige Einschränkung oder eine geistige Behinderung ist, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen worden. Deswegen würde ich sagen: „Hallo, mein Name ist [PLATZHALTER*IN] und ich bin Autist*in.“ Wobei ich persönlich da das Gefühl habe, mich sehr auf eine Sache zu reduzieren, meine Identität ins eindimensionale zu rücken und mir selber den Stempel: „Anders“ auf die Stirn zu drücken, damit die Leute mich einfacher einordnen können und mich vermutlich in die „abnormal“ oder „geistig gestört“ Schublade stecken werden. Nicht falsch verstehen, ich will den Menschen nicht kollektiv vorwerfen, so zu denken, das wäre nämlich unfair denen gegenüber, die ja gerade nicht so denken. Allerdings gibt es zwei Dinge, die mir meine Weltoffenheit streitig machen:
1. Gibt es gesellschaftlich und kulturell einfach sehr viele, in den Köpfen der westlichen Bevölkerung verankerte, unhinterfragte Klischees. Hier könnte von einer Art Rollenbild gesprochen werden, siehe die veralteten Rollenbilder von Mann und Frau, nur in diesem Fall mit Behinderten, Schwulen, Trans*-Personen und für was nicht noch alles über die Jahrhunderte ein vollkommen Klischee-überladenes Bild gezeichnet wurde. Auch hier möchte ich wieder nicht missverstanden werden; Dies sind alles Dinge, die wir durch unser Umfeld und die Welt da draußen so beigebracht bekommen haben, ich bin auch nicht frei davon, aber gerade deswegen ist es ja so wichtig zu lernen, wie die Dinge wirklich sind. Eben um Denen gerecht zu sein, die bis heute ungerecht behandelt werden.
2. Habe ich es selber schon öfter erlebt, einfach in diese Schublade an Vorurteilen gesteckt worden zu sein. Was mir besonders im Kopf geblieben ist, ist wie ein guter Freund mir erzählte, wie er wiederum einem seiner Freunde erzählt habe: „Ich hab da ‘nen Kumpel, der könnte auch mal mit zocken, ist zwar Autist, aber trotzdem voll in Ordnung.“ Zu dem Zeitpunkt hab ich darüber nicht sonderlich viel nachgedacht, aber auch schon damals störte mich irgendetwas daran. Heute weiß ich, dass es die puren Vorurteile gegenüber Autist*innen waren, die mir übel aufstießen. Das Rollenbild, was die Gesellschaft von ihnen hat; Verrückte Genies ohne jegliche soziale Kompetenz und ohne Emotionen. Dass dieses Klischee bei Weitem nicht auf alle zutrifft, ja gar nicht zutreffen kann, da Autismus ein Spektrum ist, ist leider viel zu wenigen klar. Auch wenn es zum Glück besser wird, nicht zuletzt wegen dem queeren Aufwind, der durch die reale und die virtuelle Welt weht.
Auch könnte die Formulierung: „Ich bin autistisch“ gebraucht werden. Da wiederum ist aber das Problem, dass diese leider umgangssprachlich für ein hyperaktives oder abnormales Verhalten einer Person genutzt wird und das in einem leider nicht positiven Tonus, in einer Reihe mit schwul, behindert, Spast und vielen weiteren, der Bedeutung entzogenen, menschenverachtenden Beleidigungen.
Nach den vorhergegangen (und etwas verkopften) Absätzen muss ich leider feststellen, kein richtiges Fazit ziehen zu können, aber vielleicht hat mein Text ja Jemandem von euch irgendwie geholfen oder gefallen. uwu